AERZTE Steiermark 04/2024

 

Was dürfen Ärzt:innen in der Ordination und im Spital delegieren?

Müssen Ärzt:innen sämtliche ärztliche Leistungen immer persönlich erbringen? Wann und welche Aufgaben dürfen an Nicht-Ärzt:innen weitergegeben werden und wofür haftet man dabei? Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas schiefgeht? Ein Abriss zu den wichtigsten Fragen.*

Von Michael Tauss & Stefan Kaltenbeck

 

Grundsätze der (rechts­konformen) Delegierung ärztlicher Aufgaben

Das ärztliche Berufsrecht geht (nach wie vor) vom Grundsatz aus, dass der Arzt seine medizinischen Leistungen persönlich und unmittelbar erbringen muss. Dies entspricht in der modernen Medizin freilich nicht mehr der Realität, weshalb es mittlerweile diverse rechtlich geregelte Situationen gibt, in denen ein Arzt Leistungen delegieren darf.

Diese Delegierungen können an andere Ärzte, an Angehörige nichtärztlicher Gesundheitsberufe und sogar an Laien erfolgen. Dabei stellt sich die Frage, an wen welche Leistungen delegiert werden dürfen und welche Voraussetzungen dabei vorliegen müssen.

Die Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu diesen Delegierungen ist vor allem bei der Beurteilung der ärztlichen Haftung relevant. Fraglich ist nämlich, in welchen Fällen der Arzt für Behandlungsfehler von anderen haftet und was er tun muss, um sich von diesem Haftungsrisiko zu befreien. Im Folgenden soll ein Überblick zu diesen Fragen gegeben werden.
 

Persönliche Berufsausübung

Das Ärztegesetz sieht vor, dass Ärzte ihre Leistungen grundsätzlich immer selbst erbringen müssen. Schließen Ärzte demnach Behandlungsverträge mit Patienten und wurde die persönliche Erfüllung zugesagt, muss die ärztliche Leistung auch persönlich erbracht werden und darf nicht (anders als z. B. ein Tischler, der selbstverständlich Mitarbeiter einsetzen kann, um seine Verträge zu erfüllen) durch andere Ärzte erledigt werden.

Anderes gilt in Krankenanstalten. Dort wird der Behandlungsvertrag nämlich üblicherweise nicht mit einem Arzt, sondern mit dem Krankenanstaltenträger geschlossen. Der Patient hat deshalb keinen Anspruch, von einem bestimmten Arzt behandelt zu werden, außer dies wurde im konkreten Behandlungsvertrag vereinbart. Wenn ein Arzt dem Patienten demnach zusagt, dass er die Behandlung selbst durchführen wird, muss dies auch passieren.


Unmittelbare Berufsausübung

Ärzte müssen ihre geschuldeten Leistungen nicht nur selbst, sondern auch unmittelbar ausüben. Der Arzt muss sich also für die Erstellung einer Diagnose einen persönlichen Eindruck vom Patienten verschaffen.

Zweck dieser Vorgabe ist es, Distanzbehandlungen zu unterbinden. In welcher Art und Weise das geschehen muss, ist allerdings gesetzlich nicht geregelt und richtet sich daher nach den Regeln der ärztlichen Kunst.

Ratschläge bei Kollegen einzuholen ist nach der gesicherten Rechtsprechung jedenfalls zulässig. Die Diagnoseerstellung selbst kann aber vor diesem Hintergrund nicht delegiert werden. Selbes gilt für die Aufklärung, die Teil der ärztlichen Tätigkeit ist und damit unter Arztvorbehalt steht. Die Verpflichtung, den Patienten über medizinische Maßnahmen aufzuklären, trifft daher den behandelnden Arzt und kann nicht an nichtärztliches Personal übertragen werden.


Zusammenarbeit mit anderen Ärzten

Ärzte dürfen – von Ausnahmen abgesehen – nur die ärztlichen Leistungen anbieten und erbringen, die sie auf Grund ihrer Aus- und Weiterbildung auch beherrschen. Vor allem haben Fachärzte ihre fachliche Berufsausübung auf ihr Sonderfach zu beschränken.

Wenn die Beiziehung anderer Ärzte notwendig ist, gilt daher – ähnlich wie im Straßenverkehr – der sog. „Vertrauensgrundsatz“, sofern der Gesetzgeber keine Einschränkungen vorsieht (Anordnungs- und Aufsichtspflichten, siehe dazu weiter unten).

Im Ergebnis darf man davon ausgehen, dass sich der Behandlungsvertrag nur auf das jeweilige Fachgebiet des behandelnden Arztes bezieht. Wenn also im niedergelassenen Bereich die Überweisung an einen anderen selbständigen Facharzt notwendig wird, kommt zwischen diesem und dem Patienten im Normalfall ein eigener Behandlungsvertrag zustande und der Überweiser haftet für dessen Verschulden nicht selbst. Hier könnte eine Haftung aber etwa gegeben sein, wenn dem Überweiser bereits im Vorhinein die fachliche Untauglichkeit des Kollegen bewusst war.

Viel häufiger ist in der Praxis natürlich die Zusammenarbeit zwischen (fachgleichen) Ärzten in Krankenanstalten, z. B. im Zuge einer Operation, bei der eine ärztliche Assis­tenz notwendig ist. Auch hier gilt der Vertrauensgrundsatz, nur besteht in den meisten Fällen ein Weisungsrecht.


Haftung für den Urlaubsvertreter?

Im niedergelassenen Bereich betrifft die Delegierung von ärztlichen Leistungen meist die Vertretung im Urlaubsfall. Bei der Frage, wer dem Patienten im Falle eines Behandlungsfehlers haftet (Vertreter oder Vertretener), kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Ist für den Patienten eindeutig erkennbar, dass er nicht vom Vertretenen, sondern von einem anderen Arzt (dem Vertreter) behandelt wird, kommt es zu einem eigenen Behandlungsvertrag mit dem Vertreter; dieser haftet sodann für seine Behandlungsfehler. Diese Erkennbarkeit kann sich aus einer diesbezüglichen Information des Vertretenen, des Ordinationspersonals oder durch eindeutige Hinweise in der Ordination (z. B. Aushang) ergeben. Selbstverständlich kommt auch dann eindeutig ein Behandlungsvertrag mit dem Vertreter zustande, wenn dieser die Vertretung von seinem eigenen Ordinationssitz aus übernimmt.

Ist für den Patienten hingegen nicht erkennbar, dass er nicht vom Vertretenen behandelt wird, haftet der abwesende Arzt für ein Fehlverhalten seines Vertreters wie für sein eigenes. Der Behandlungsvertrag kommt dann mit dem abwesenden Arzt zustande, diesen trifft auch die Haftung daraus.


Sonderfall Famulanten

Auch an Famulanten dürfen Aufgaben übertragen werden. Sie sind je nach Ausbildungsstand zur unselbständigen Ausübung von bestimmten Tätigkeiten berechtigt, jedoch nur unter Anleitung und Aufsicht des behandelnden Arztes.

Das kann auch ein Turnusarzt sein, wenn der Abteilungsleiter bestätigt, dass der Turnusarzt über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Die Tätigkeiten umfassen:

  •     Erhebung der Anamnese
  •     Einfache physikalische Untersuchungen/Blutdruckmessen
  •     Blutabnahme aus der Vene
  •     Führung der Krankenakte
  •     Assistenz bei Operationen
  •     Verabreichung von intravenösen Injektionen und Infusionen

 

Zusammenarbeit mit anderen Gesundheits­berufen

Viele Angehörige nichtärztlicher Gesundheitsberufe erbringen ihre Tätigkeit meis­tens in Zusammenarbeit mit Ärzten. Eine Delegierung ist vor allem in folgenden Fällen vorgesehen:

  •     Delegierung an Angehörige des gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege
        im Rahmen der Kompetenzen bei medizinischer Diagnostik und Therapie (§ 15 GuKG)
  •     Delegierung an Pflege(fach)assistenten im Rahmen der Mitwirkung bei Dia­gnostik und
        Therapie (§§ 83 Abs 4, 83a Abs 2 GuKG)
  •     Delegierung an gehobene medizinisch-technische Dienste (MTD-G)
  •     Delegierung an Sanitäter (Sanitätergesetz)
  •     Delegierung an medizinische Assistenzberufe (MABG)
  •     Delegierung an medizinische Masseure und Heilmasseure (MMHmG)

 

Die gesetzliche Grundlage für die Delegierung von ärztlichen Tätigkeiten sieht vor, dass der Arzt im Einzelfall ärztliche Tätigkeiten an Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder Auszubildende dieser Gruppen übertragen darf, sofern diese Tätigkeiten vom Tätigkeitsbereich des jeweiligen Gesundheitsberufs umfasst sind.

Welche Tätigkeiten die Angehörigen der Gesundheitsberufe erbringen dürfen, ergibt sich aus dem jeweiligen Berufsrecht. Sofern das Berufsrecht es zulässt, dürfen Angehörige dieser Berufsgruppen aber auch ohne ärztliche Anordnung tätig werden. So umfassen beispielsweise die pflegerischen Kernkompetenzen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege die eigenverantwortliche Erhebung des Pflegebedarfes sowie Beurteilung der Pflegeabhängigkeit, die Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung, Kontrolle und Evaluation aller pflegerischen Maßnahmen.

Den Arzt trifft bei der Delegierung von ärztlichen Tätigkeiten die Anordnungsverantwortung, d. h. er trägt die Verantwortung dafür, ob und auch wie behandelt wird. Ob auch eine Verantwortung des Arztes für die Durchführung besteht, richtet sich nach dem Einzelfall. Je höher der Ausbildungsgrad des Angehörigen des Gesundheitsberufes ist, desto mittelbarer kann die Aufsicht des Arztes sein. Wie oben beschrieben, sehen gewisse Berufsrechte aber auch einen völligen Entfall der Aufsichtspflicht vor.

Ist die Delegierung allerdings unzulässig, weil die übertragene Tätigkeit nicht vom Berufsbild des Gesundheitsberufs umfasst ist, haftet der delegierende Arzt nicht nur für von diesen verschuldete, sondern auch für zufällige Schäden. Von der Haftung kann sich der Arzt in dem Fall nur dadurch befreien, indem er beweist, dass der Schaden auch ohne die Delegierung eingetreten wäre.


Unterstützung durch Hilfspersonen

Ärzte können auch einzelne medizinische Unterstützungstätigkeiten, die unmittelbar am Patienten erbracht werden, während der Arzt anwesend ist, im Einzelfall an Personen übertragen, die keinerlei Ausbildung im Gesundheitsberuf haben. Solche Tätigkeiten können etwa die Unterstützung beim Anlegen von Verbänden, die Vorbereitung und Zureichung von medizinischen Instrumenten und die Bedienung von medizinischen Apparaten sein.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Arzt sich vorher vergewissert, dass die Person über die nötigen Fähigkeiten verfügt, sie genau instruiert und ständig beaufsichtigt.


Delegierung an Laien

In bestimmten Fällen können einzelne ärztliche Tätigkeiten, die am Pateinten verrichtet werden, auch vollständig an Laien delegiert werden. Ohne dass ein Arzt anwesend ist, können Angehörige des Patienten, Personen, in dessen Obhut der Patient steht (etwa Lehrer, Kindergärtner), oder Personen, zu denen der Patient ein örtliches und persönliches Naheverhältnis hat (etwa befreundete Nachbarn), für eine Delegierung in Frage kommen.

Der Gesetzgeber macht hier zum Umfang keine Angaben, jedoch können nur solche Aufgaben übertragen werden, von denen erwartet werden kann, dass sie die Person aufgrund ihrer Persönlichkeit und Fähigkeiten ausüben kann. Beispiele hierfür sind die Vornahme von Infusionen an ärztlich gesetzten Venenzugängen, die Injektion von Insulin sowie die Messung des Blutzuckerspiegels bei Diabetes-Patienten durch Angehörige im selben Haushalt.

Voraussetzung ist natürlich, dass Patient und die ausübende Person zustimmen. Der Arzt haftet in dem Fall nicht für ein Verschulden des Laien, sondern ihn trifft auch hier nur ein Auswahlverschulden, wenn er wissen musste, dass die Person ungeeignet ist.


Delegierung an Betreuungskräfte

Werden Patienten in einem Privathaushalt gepflegt, können Ärzte einzelne Tätigkeiten wie etwa die Verabreichung von Medikamenten, das Anlegen von Verbänden und Bandagen, die Verabreichung von subkutanen Insulin- oder Gerinnungshemmerinjektionen oder vergleichbare Aufgaben an das Betreuungspersonal übertragen.

Die Delegierung muss hier aber schriftlich erfolgen und ist (maximal auf die Dauer des Betreuungsverhältnisses) zu befristen. Der Arzt muss die Person, an die delegiert wird, unterweisen und anleiten und muss sich vergewissern, dass die erforderlichen Fähigkeiten bestehen und die Unterweisung verstanden wurde. Er haftet auch hier für ein Auswahlverschulden.

 

In welcher Form muss die Delegierung erfolgen?

Grundsätzlich muss eine Delegierung in keiner bestimmten Form erfolgen, diese kann also insbesondere mündlich oder schriftlich (z. B. E-Mail, Brief etc.) erfolgen.

Für den Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege und der Pflegehilfe ist jedoch vorgesehen, dass die Anordnung grundsätzlich schriftlich zu erfolgen hat. Nur in dringenden Fällen und bei Anwesenheit des Arztes darf sie mündlich vorgenommen werden, muss aber unmittelbar dokumentiert werden. Auch die Delegierung an Betreuungskräfte hat, wie bereits oben beschrieben, grundsätzlich schriftlich zu erfolgen und muss darüber hinaus befristet werden.

 

Mag. Michael Tauss ist Partner der Kanzlei HP+T Heitzmann Pils Tauss Rechtsanwälte in Graz mit medizinrechtlicher Spezialisierung.

Mag. Dr. Stefan Kaltenbeck, Bakk., ist stv. Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Steiermark.

Grazer Straße 50a1