AERZTE Steiermark 07-08/2024

 

Guter Arzt

Die Qualitätssicherung von ärztlichen Ordinationen findet weiterhin vorrangig durch Selbstevaluierung statt. Ein Musterfragebogen kann von der Website der ÖQMed heruntergeladen werden, die weiterhin für diese Selbstevaluierung zuständig bleibt (www.oeqmed.at). Die stichprobenhafte Überprüfung machen praxiserfahrene Ärztinnen und Ärzte – das ist neu – im Auftrag der GÖG-Tochter Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG). Wir haben mit den Verantwortlichen in BIQG und ÖQMed, der Allgemeinmedizinerin Karin Eglau und Paul Baumer, gesprochen.

Christoph Schwalb & Martin Novak

Wo sehen Sie Herausforderungen in der Qualitätssicherung von Ordinationen?

Eglau: Die Qualitätssicherung in Ordinationen ist vom Ablauf her in der QS-VO 2024 neu festgelegt. Die Selbstevaluierung und die sich daraus möglicherweise ergebende Mängelbehebung läuft wie bisher in der ÖQMED, die Organisation der Stichprobenüberprüfung durch Peers sowie eine daraus resultierende Mängelbehebung im BIQG. Eine Herausforderung sehen wir in der Akquirierung von ausreichend Peers für die Überprüfungen der Ordinationen und wir möchten auf diesem Wege auch gerne alle Kolleginnen und Kollegen, die an einer Tätigkeit als Peer Interesse haben, bitten, sich bei uns zu melden.

Worauf legen Sie Ihr besonderes Hauptaugenmerk bei der Überprüfung der Arztpraxen?

Eglau: Die Stichproben­überprüfungen werden durch Peers durchgeführt. Wir veranstalten jährlich eine Schulung für Peers, wobei der Schwerpunkt dabei neben den zu überprüfenden Qualitätskriterien (z. B. Hygiene) vor allem auf der Kommunikation liegt. Zusätzlich werden wir auch ab 2025 Kommunikationsseminare für Peers anbieten. Es ist uns wichtig, dass die Überprüfungen nicht primär als Kontrolle erlebt werden, sondern dass die Ärztin bzw. der Arzt und der/die Peer gemeinsam die Qualität in der Ordination verbessern. Daher ist auch eine 5-jährige Tätigkeit in einer Ordination Voraussetzung für Peers.

Was wird sich durch die Koordination der Ordinationsbesuche durch das BIQG ändern?

Eglau: Die Selbstevaluierung verbleibt bei der ÖQMED, die Koordination der Überprüfungen findet im BIQG statt. Wir nutzen dasselbe IT-System und stimmen uns in allen Themen ab. Diese enge Zusammenarbeit zwischen ÖQMED und BIQG soll sicherstellen, dass sich für die zu überprüfenden Ordinationen und Gruppenpraxen vom Ablauf her möglichst wenig ändert. Die Ankündigung von (Stichproben-)Überprüfungen wird jetzt durch das BIQG durchgeführt. Die Schulungen für Peers werden von ÖQMED und BIQG gemeinsam durchgeführt.

Baumer: Für Ärztinnen und Ärzte wird sich gar nichts ändern. Die ÖQMED koordiniert nach wie vor die Selbstevaluierung und darauf beruhende Mängelbehebungen. Die abgefragten Kriterien bleiben unverändert.  Durch die gesetzlichen Umstellungen kommt danach das BIQG ins Spiel. Seine Aufgabe ist es nun, aus allen Praxen eine zehnprozentige Stichprobe zu ziehen und bei jenen Ordinationen die Angaben aus der Selbstevaluierung vor Ort zu kontrollieren. In der Vergangenheit wurde dies durch die Qualitätssicherungsbeauftragten der ÖQMED, in Zukunft durch Peers des BIQG erledigt. Diese Peers sind, genauso wie früher, erfahrene Ärztinnen und Ärzte, die selbst lange Jahre eine Praxis geführt haben.

Worin liegt der Vorteil, dass in den Ordinationen zuerst Selbst­evaluierungen stattfinden und daran anschließend stichprobenartige Audits durchgeführt werden – statt ausschließlich Audits?

Eglau: Die Selbstevaluierung ist ein Teil von nahezu allen Qualitätsmanagementsystemen und soll sicherstellen, dass sich Ärztinnen und Ärzte anhand der Qualitätskriterien, die in einem spezifischen Fragebogen abgebildet sind, mit der Qualität in ihrer Ordination auseinandersetzen und ggf. auch schon vorab Verbesserungen durchführen können. Durch das System der Selbstevaluierung werden alle Ordinationen ohne zu großen bürokratischen Aufwand erreicht. Ein Audit in allen Ordinationen wäre zeitlich und auch personell nicht durchführbar. Die Stichprobenüberprüfung betrifft 10 % zufällig ausgewählter Ordinationen und Gruppenpraxen und ist somit durchaus repräsentativ.

Baumer: Die Selbstevaluierung wird von allen Praxen durchgeführt, das bedeutet jede Praxis in Österreich stellt selbst fest, ob sie den wichtigsten gesetzlichen Vorgaben entspricht und kann gegebenenfalls mit einfachen Mitteln allfällige Abweichungen beheben. Dafür gibt es von der ÖQMED auch eine ganze Reihe von Unterstützenden Unterlagen und Materialien und nicht zuletzt die Möglichkeit der individuellen und persönlichen Beratung.

Welchen Vorteil haben die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte durch die Qualitätssicherung, also die Selbstevaluierung und möglicherweise einen stichprobenartigen Besuch in der Praxis?

Baumer: Der gesamte Prozess belegt, dass in einer Praxis Qualitätsarbeit geleistet wird und notwendige Maßnahmen (z. B. in Bezug auf Hygiene, sichere Dokumentation, Patientenaufklärung) umgesetzt wurden. Damit können Patientinnen und Patienten sicher sein, dass Behandlungsqualität und Patientensicherheit an erster Stelle stehen. Aber auch für Ärztinnen und Ärzte ergibt sich dadurch das Potenzial, in regelmäßigen Abständen sicherstellen zu können, dass in der Praxis die notwendigen rechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

Welche Rolle in der Qualitätssicherung spielen auch für Patientinnen und Patienten relevante Punkte wie Terminorganisation, Zeitmanagement?

Eglau: In der QS-VO 2024 sind insgesamt 24 Evaluierungskriterien festgelegt. Das Kriterium „Patientenversorgung – Erreichbarkeit“ (§4) regelt u. a. die kurzfristige Terminvergabe bei akuten Beschwerden, aber auch die Informationen, die Patientinnen und Patienten über die Ordination vorab zu Verfügung stehen müssen. Im §21 „Zugang zur ärztlichen Behandlung und Diagnosestellung“ ist festgehalten, dass ein strukturiertes System zur Terminvergabe zu existieren hat. Die Freundlichkeit von Personal kann gesetzlich nicht geregelt werden :-), allerdings sind gemäß §22 „Interne Kommunikation“ regelmäßige Mitarbeiterbesprechungen abzuhalten, auch um patientenorientierte Abläufe in der Ordination zu optimieren.

Baumer: Viele Aspekte der Qualitätssicherung haben direkten oder indirekten Einfluss auf Patientinnen und Patienten. Das angesprochene Terminmanagement, mit dem Ziel, Wartezeiten so kurz wie möglich zu halten, ist nur ein Beispiel. Klare
und verständliche Kommunikation und Aufklärung spielen ebenso eine gewichtige Rolle, wie auch die Infektionsprävention durch entsprechende Hygieneregelungen. Und wenn einmal etwas passiert, sind letztendlich auch Themen wie Brandschutz und Notfallmanagement Bereiche, die einen Einfluss auf Patienten haben.

Woran kann eine Evaluierung scheitern?

Eglau: Wenn bei der Selbstevaluierung Fragen mit „nein“ beantwortet werden, stellt die ÖQMED einen Mängelbehebungsauftrag aus. Der/die Ordinationsinhaber:in muss dann innerhalb einer bestimmten Frist nachweisen, dass die Mängel behoben sind, z. B. durch Rechnungen, Fotos etc. Wenn die Nachweise nicht ausreichen, wird eine Überprüfung der Ordination durchgeführt. Somit kann, den Willen eine gute Qualität zu bieten vorausgesetzt, eine Evaluierung eigentlich nicht scheitern.

Was passiert, wenn ein Ordinationsbesuch, also eine BIQG-Evaluierung, schiefläuft?

Eglau: Wenn bei einer Stichprobenüberprüfung durch Peers Mängel zu Tage treten, werden diese zunächst in einem kollegialen Gespräch erörtert und die Behebung dieser thematisiert. Ein Mängelbehebungsauftrag wird auch in diesem Fall verschickt, der Ablauf erfolgt wie oben beschrieben. Bei speziellen Überprüfungen nach Beschwerden kann es unter Umständen auch zu Konflikten oder Divergenzen kommen. Daher sind BIQG-Mitarbeiter:innen, die diese Überprüfungen u. a. gemeinsam mit Peers, Mitarbeiter:innen der ÖQMED sowie Vertreter:innen der Patientenanwaltschaft durchführen, speziell in Kommunikation geschult. Im schlimmsten, aber auch sehr seltenen, Fall kann es einer Anzeige beim Disziplinaranwalt der Ärztekammer kommen.

Baumer: Vorneweg: Ein Ordinationsbesuch wird nicht schieflaufen! Das Prozedere sieht genauso aus wie die Besuche durch die ÖQMED in der Vergangenheit. Wenn eine Praxis in die Stichprobe fällt, wird sie schriftlich darüber informiert, dass sich ein Peer für die Terminvereinbarung mit ihr in Verbindung setzen wird. Die Praxis hat dann genug Zeit, um sich auf den Besuch vorzubereiten und erhält zusätzlich noch eine Checkliste, damit nichts vergessen wird. Der Besuch selbst findet dann im Rahmen eines kollegialen Gespräches statt. Sollten währenddessen tatsächlich Verbesserungspotentiale entdeckt worden sein, erhält die Praxis diese nochmal zusammengefasst postalisch zugesendet. Dieser Brief besteht aber nicht bloß in einer Auflistung von Mängeln, sondern enthält für jeden Punkt einfache Anleitungen, wie Verbesserungen umgesetzt werden können. Sind dann alle Maßnahmen ergriffen worden, werden die Ergebnisse z. B. mit Fotos dokumentiert und an das BIQG übermittelt.

Bisher gab es bei den Evaluierungen nur selten Probleme. Erwarten Sie eine Steigerung?

Eglau: Ein ganz klares „nein“! Die Eckpunkte der Evaluierung sind für die Ordinationen gleichgeblieben, die Koordination der Peers sowie die speziellen Überprüfungen finden jetzt durch das BIQG statt. Uns ist die Arbeit der Peers mit den Ärztinnen und Ärzten auf Augenhöhe ein wichtiges Anliegen, das wir in den mit der ÖQMED gemeinsam durchgeführten Schulungen auch vermitteln werden.

Baumer: Nein. Denn wie bisher gilt auch für die Zukunft, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden müssen. Dafür wird maximale Hilfestellung sowohl von der ÖQMED als auch vom BIQG geboten, aber letztendlich muss die Situation den Vorgaben entsprechen. Viele Themen konnten in der Vergangenheit durch entsprechende Beratung und Unterstützung einfach erledigt werden und wir werden diesen Weg gemeinsam mit dem BIQG in Zukunft konsequent fortsetzen.

 

Karin Eglau übernahm mit 1. Dezember 2022 die Geschäftsbereichsleitung des Bundesinstituts für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG), einem Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Sie ist Ärztin für Allgemeinmedizin mit ius practicandi und erwarb 2005 den Master of Public Health.

Paul Baumer leitet die Bereiche ÖQM, Hygieneverordnung und Ambulatorien in der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed).

Das Gespräch erscheint auch in der Salzburger Ärztezeitung med.ium.

 

 

Start in den Bundesländern Steiermark und Salzburg

Die Zuständigkeiten für die Evaluierung von ärztlichen Ordinationen wurde mit der im April 2024 erlassenen, neuen Qualitätssicherungsverordnung 2024 etwas geändert. Für die Selbstevaluierung aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte einschließlich Gruppenpraxen ist weiterhin die  Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed) zuständig. Die stichprobenartigen Ordinationsbesuche durch Peers (erfahrene Ärztinnen und Ärzte) organisiert das Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG), ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).

Die Evaluierung startet nach Inkrafttreten der neuen Verordnung in der Steiermark und in Salzburg. Für die evaluierten Ärztinnen und Ärzte sollte sich dadurch kaum etwas ändern. Das versichern auch die Verantwortlichen in BIQG und ÖQMed im AERZTE Steiermark-Gespräch.

 

Fotos: Fotos: Ett, Weiss, Adobe Stock

Grazer Straße 50a1
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