AERZTE Steiermark 11/2024

 

Wegweiser durch die Gesundheitsversorgung

Die Notaufnahmen gehen auch über, weil viele Menschen sich im heimischen Gesundheitssystem nicht auskennen. Leitfäden bringen aber Hilfe.

Rund 170 bis 180 Notfälle haben die beiden internistischen Notaufnahmen der KAGes in Graz zu verzeichnen. Täglich. Insbesondere am Nachmittag zwischen 15 und 19 Uhr entstehen dadurch Engpässe beim Personal. „Eine optimale Versorgung ist nicht mehr sichergestellt“, hieß es dazu in einem Papier aus dem Jahr 2023. Aktuell hat allein die Notaufnahme am LKH Graz II/West rund 21.000 Fälle pro Jahr zu verzeichnen. In Summe waren es weit über eine Million Patientinnen und Patienten, die 2023 eine steirische LKH-Ambulanz aufsuchten, gut 11 Prozent mehr als 2017. Der nun präsentierte Leitfaden „Wohin mit welcher Krankheit?“ soll dazu beitragen, dass nur jene Fälle, für die eine Notaufnahme gedacht ist, dorthin strömen.

Enge Zusammenarbeit

Das Besondere an dem Leitfaden ist, dass er in enger Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen der Notaufnahmen bzw. EBAs am LKH-Universitätsklinikum Graz und am LKH Graz II Standort West – Philipp Kreuzer und Gerhard Postl – einerseits und erfahrenen, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin andererseits, konkret Gudrun Zweiker (Straden), Neshat Quitt (Graz) sowie Michael Adomeit (Birkfeld), entstand. Massiv für den Leitfaden eingesetzt hat sich auch der steirische Ärztekammerpräsident Michael Sacherer. „Wenn Patientinnen und Patienten die richtigen Informationen zu ihren Symptomen und Beschwerden erhalten, können manchmal unnötige Arztbesuche vermieden werden. Unser Ziel ist es, der Bevölkerung Wissen über häufige Krankheitsbilder damit näher zu bringen. Dieser Leitfaden hilft nicht nur Beschwerden zu verstehen, sondern auch die richtigen Ansprechpartner im Gesundheitssystem zu finden“, sagt er.

Breite Verteilung

Für die Verteilung konnten auch Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl und der steirische Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk gewonnen werden. Damit ist gewährleistet, dass dieser Leitfaden über Betriebe, Ambulanzen und Arztpraxen an die Bevölkerung geht.

Am Anfang war der Elternleitfaden

Dieser Leitfaden hat eine jüngere Schwester, den so genannten „Elternleitfaden“, der bereits im Frühjahr vorgestellt worden ist. Dank der Unterstützung von Bildungslandesrat Werner Amon konnte er auch über Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen verteilt werden. Beide Folder sind in sehr einfacher Sprache verfasst worden.

Drei Kategorien von Empfehlungen

Durch Empfehlungen von Hausmitteln, dem Besuch der Hausärztin/des Hausarztes oder das Aufsuchen einer Notaufnahme, werden patient:innenorientierte Lösungen aufgezeigt. Die klare Unterscheidung nach Dringlichkeit soll nicht nur den Patient:innen eine rasche und angemessene Behandlung ermöglichen, sondern auch die Belastung der Notfallambulanzen und Facharztpraxen reduzieren.

Klare Wege zur optimalen Versorgung

Die Ärztekammer ist sich sicher, dass der Leitfaden ein Vorbild für eine moderne, organisierte Patientenlenkung sein kann und dazu beiträgt, die Gesundheitsversorgung in der Steiermark zukunftssicher zu gestalten. Der Leitfaden sei ein lebendiges Dokument, das regelmäßig an neue Herausforderungen angepasst werden kann.

Hausärztin, Hausarzt gesucht

Das Problem der Überlastung von Notaufnahmen dürfte auch damit zu tun haben, dass immer mehr Menschen gar keine Hausärztin, keinen Hausarzt haben. Auf die Sinnhaftigkeit, sich eine Haus­ärztin oder einen Hausarzt zu suchen, wird hingewiesen. Menschen, die aus anderen Ländern in die Steiermark gekommen sind, kennen bisweilen gar keine Hausärztinnen bzw. Hausärzte. Sie verwechseln die Notaufnahme mit einer Polyklinik, die für Vieles zuständig ist, das in Öster­reich in die Zuständigkeit einer Hausärztin, eines Hausarztes fällt. Somit ist der Leitfaden auch eine Einführung in das österreichische Gesundheits­system, das hier ganz einfach erklärt wird: „Das Gesundheitssystem in Österreich ist so aufgebaut, dass Erkrankte einfach zu ihrer Hausärztin/zu ihrem Hausarzt gehen können, die/der die entsprechende Behandlung durchführt“, heißt es dazu in der Einleitung.

KAGes-Umstieg auf Abgestufte zentrale Erstversorgung

Auch in den KAGes-Häusern setzt man nun Maßnahmen zur Optimierung der Erstversorgung: Die Schaffung von acht Zentralen Ambulanten Erstversorgungseinheiten (ZAE) war bereits im Juni 2023 in den Plänen zur Strukturreform enthalten, um „eine schnelle Ersteinschätzung und Versorgung der Patient:innen an allen Standorten in Zusammenschau mit den vorhandenen Ressourcen sicherzustellen“, wird in einer Aussendung vom Oktober angeführt. ZAE dienen vor allem der zielgerichteten Betreuung von Selbstzuweiser:innen. Für Patient:innen, die mit der Rettung transportiert werden, steht wie gewohnt die virtEBA als Lotsensystem zur Verfügung. Die neuen ZAE-Einrichtungen sind mittlerweile in den LKH-Standorten Weiz, Bruck an der Mur, Mürzzuschlag, Bad Aussee, Knittelfeld, Hartberg, Deutschlandsberg und Voitsberg vorhanden. „Wir haben mit Hochdruck und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rahmenbedingungen an der Umsetzung einer AkutMedizinischen Erstversorgung  AME (Anm.: siehe Kasten) bzw. an der Zentralen Ambulanten Erstversorgung gearbeitet“, erklärt der Medizinische Direktor der KAGes, Dr. Johannes Koinig. „Dabei war uns von Anfang an wichtig, dass diese Funktionalität anhand der verschiedenen medizinischen Rahmenbedingungen hergestellt wird, sodass weiterhin eine gut abgestufte Erstversorgung für unsere Patient:innen möglich ist.“

 

Kasten: DIE 3 ZAE-VERSORGUNGSSTUFEN

Stufe 1: AME: AkutMedizinische Erstversorgung

Die erste Versorgungsstufe ist die ZAE-Funktionalität als AkutMedizinische Erstversorgung, kurz AME. Sie ist an jedem LKH-Standort der KAGes rund um die Uhr verfügbar. Es erfolgt eine Ersteinschätzung sowie Erstversorgung aller ambulanten Patient:innen – in der Regel sind dies Selbstzuweiser:innen – auf allgemeinmedizinischem Niveau. Die Besetzung erfolgt durch die im LKH vorhandenen Fachärzt:innen und Allgemeinmediziner:innen. Bei Bedarf werden die Patient:innen an die nächstgelegene geeignete Fachabteilung oder in den niedergelassenen Bereich weitergeleitet.

Stufe 2: ZAE : Zentrale Ambulante Erstversorgung

Die zweite Versorgungsstufe ist die Zentrale Ambulante Erstversorgung, kurz ZAE, nach Definition des Österreichischen Strukturplans Gesundheit 2017, also die Versorgung ambulanter Akutpatient:innen entsprechend des im ÖSG 2017 festgelegten Leistungsspektrums. Grundsätzlich wird eine ZAE von der Stammmannschaft des jeweiligen Standortes/LKH besetzt. Diese Versorgungsstufe betrifft jene Standorte, die zumindest über das Fächerspektrum einer Standardkrankenanstalt verfügen und mit dem Personal vor Ort eine traumatologische Basisversorgung vorhalten können.

Stufe 3: ZNA: Zentrale Notaufnahme

Die dritte Versorgungsstufe ist die Zentrale Notaufnahme, kurz ZNA, mit einem umfassenden Leis­tungsspektrum der Akut- und Notfallversorgung für mehrere klinische Fachdisziplinen inklusive Traumaversorgung in Kombination mit Beobachtungsplätzen und Überwachungsmöglichkeiten. Die Besetzung erfolgt über eine eigene Dienstmannschaft, die rund um die Uhr vor Ort ist. Diese Versorgungsstufe betrifft Standorte mit breitem Fächerspektrum und großem Einzugsgebiet.

 

Foto: Schiffer