AERZTE Steiermark 01/2025

 

6. steirischer Masernfall wurde bestätigt

Mit 22. Jänner wurde der 6. Masernfall bestätigt, wie die Landessanitätsdirektion über den Landespressedienst mitteilte.

Derzeit kommt es insbesondere in der Obersteiermark (Bezirk Bruck/Mürzzuschlag) zu Masernfällen. In den ersten vier Wochen dieses Jahres liegen bereits sechs bestätigte Masern-Infektionen vor. Betroffen sind Erwachsene, aber auch Kinder. Daher rief die Landessanitätsdirektion die Bevölkerung am 22.01. via Landespressedienst zur vorsorglichen Impfung auf und bezeichnete die Entwicklung als besorgniserregend. Die Wissenschaftliche Akademie für Vorsorgemedizin (WAVM) informierte die in dieser Region im steirischen Impfnetzwerk registrierten Ärzt:innen bereits am 21. Jänner – die Durchimpfungsraten bei der 2. MMR-Impfung haben pandemiebedingt insbesondere bei Schulkindern und Jugendlichen ja durchaus gelitten.

Entwicklung wie befürchtet

„Genau diese Entwicklung, die sich jetzt abzeichnet, haben wir in der WAVM seit längerem befürchtet: Nachdem die Durchimpfungsraten bei der 2. MMR-Impfung insgesamt zu niedrig – und in einigen Bezirken besorgniserregend – sind, war das ja durchaus zu erwarten“, so Michael Adomeit, Impfreferent in der Ärztekammer und Obmann der WAVM. „Das zeigen nicht nur die Durchimpfungsraten, wie wir sie im Rahmen der steirischen Impfdatenbank errechnen und auch fortlaufend beobachten“, so der WAVM-Obmann. Auch das Referat von Andrea Grisold, der Vorsitzenden des nationalen Verifizierungskomitees zur Elimination von Masern und Röteln (NVC) in Österreich, beim Grazer Impftag im November (siehe Bericht auf Seite 26) legte nahe, dass die Situation in der Steiermark durchaus besorgniserregend ist.

„Dass die impfpräventablen Infektionen leider wieder voll anfahren, haben ja schon die Pertussis-Fälle, die wir im Vorjahr hatten – und bis jetzt haben –, deutlich gemacht“, so Adomeit. „Wir bieten der Sanitätsdirektion gerne an – und haben dies auch bei Pertussis selbstverständlich getan – die Eltern un- oder untergeimpfter Kinder und Jugendlicher punktgenau zu informieren. Bis dato ist man diesbezüglich aber leider nicht auf uns zugekommen. So können wir derzeit leider nur bei den Kolleg:innen im steirischen Impfnetzwerk zu vermehrter Achtsamkeit  aufrufen.“

In Anbetracht der aktuellen Durchimpfungsraten (Stand 22.01.2025) sollten sich Ordinationen darauf einrichten, mit Masern-(Verdachts-)Fällen konfrontiert zu werden, so Adomeit. Denn der jetzt betroffene Bezirk sei noch einer mit „besserer“ Rate.

 

Masern und Pertussis in Österreich: ein Blick auf die Steiermark

lautete der Titel des durchaus besorgniserregenden Einblicks, den Andrea Grisold beim letzten Grazer Impftag in die epidemiologische Lage gab. Hier einige Auszüge.

Ebenso instruktive wie bedrückende Einblicke in die epidemiologische Situation in Sachen Masern (Abb. 1) und Pertussis gab Andrea Grisold von der MedUni Graz, seit Jahren Vorsitzende des nationalen Verifizierungskomitees zur Elimination von Masern und Röteln (NVC) in Österreich, beim Grazer Impftag im November letzten Jahres.

Masern

Von der WHO wird mit Besorgnis registriert, dass die Masernfälle weltweit wieder ansteigen. Österreich belegt hier leider einen der vordersten Plätze – mit einer Maserninzidenz von 55,1 Erkrankten auf 1 Million Einwohner. Damit kommt Österreich auf den als desaströs zu bezeichnenden Rang 10 im internationalen Ranking – vor Österreich gerankt sind Länder wie Armenien, Rumänien oder Aserbaidschan (Abb. 2). Mit Ende 2024 sind im österreichischen elektronischen Meldesystem EMS 541 Fälle eingemeldet worden, wobei beinahe ein Viertel (22,3 %) hospitalisiert werden mussten, vier davon sogar auf einer Intensivstation. Erwartungsgemäß waren vor allem Säuglinge betroffen, gefolgt von der Altersgruppe der 10–14-Jährigen (Abb. 3). Am Zentrum für Virologie Wien als nationalem Referenzzentrum für Masern werden die Proben bzw. die darin nachgewiesenen Masern­viren einer Genotypisierung unterzogen, sodass mögliche Übertragungswege nachverfolgt werden können. Dabei zeigt sich für 2023 bzw. 2024 für die Steiermark ein völlig unterschiedliches Bild: Während 2023 in der Steiermark vor allem ein großer Ausbruch im Rahmen eines großen Hochzeitsgeschehens für Aufsehen sorgte, beobachtete man 2024 vor allem kleinere Ausbrüche, deren Ursprung sich oft nicht zuordnen ließ (Abb. 4, 5). Was durch Absonderungsmaßnahmen in jedem Fall verhindert werden muss, ist die Zirkulation eines Maserngenotypen quer durch Österreich, ohne dass die Unterbrechung der Transmissionskette gelingt.

Was die Durchimpfungsraten für Masern in der Steiermark betrifft, rekurrierte Grisold auf den Jahresbericht der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin (WAVM). Von der angestrebten Durchimpfungsrate von 95 % ist man leider entfernt. Die Durchimpfungsraten bei der 2. MMR-Impfung liegen – mit bezirksweise zum Teil großen Unterschieden – für die Kleinkinder bei 86,93 % und für die Schulkinder bei 83,32 %. Auch der vom Gesundheitsministerium erstellte Kurzbericht Masern 2023 wies bei der 2. MMR-Impfung in der Gruppe der 2–5-Jährigen nur eine Durchimpfungsrate von 84 % aus, womit bei fast 33.000 Kindern in dieser Altersgruppe zumindest die zweite Impfung fehlte und weitere 23.000 Kinder noch gar keine Impfung erhalten hatten.

Pertussis: neues Impf­schema und Surveillance

Zunächst fasste Grisold die aktuellen Änderungen im Impfplan bezüglich Pertussis zusammen – aufgrund der hohen Pertussis-Zahlen wurde das Impfschema im neuen Impfplan geändert und sieht nun einen  „Vorschulbooster“vor dem Schuleintritt, d. h. ab dem vollendeten 5. Lebensjahr, vor. Auch im Erwachsenenalter sollte die Auffrischung aktuell alle fünf Jahre erfolgen. Dann ging sie auf die Pertussis-Surveillance ein, die bei der AGES (Referenzzentrale) und am Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin der MUG (Konsiliarlabor) stattfindet. Für die Diagnostik stehen sowohl eine PCR (insbesondere bei Neugeborenen und Kleinkindern empfohlen), als später auch die Serologie zur Verfügung.  Per se werden Antikörper erst nach 2–8 Wochen nach Krankheitsbeginn detektiert. Zudem werden Antikörper ggf. durch eine rezent durchgeführte Impfung beeinflusst, sodass Einzeluntersuchungen in manchen Fällen keine eindeutige Zuordnung erlauben.

Der serologische Nachweis von Pertussis (Abb. 6) läuft über den Nachweis von IgA- und IgG-Antikörpern gegen das Pertussis-Toxin mittels ELISA in IU/ml auf Basis von WHO Referenzseren (Abb. 7). Bakterienkulturen werden nicht routinemäßig, sondern nur zur Surveillance von eventuellen Resistenzentwicklungen durchgeführt.

Inzidenz steigt drastisch

Während für die Jahre 2018 –2023 österreichweit immer rund 2.000 Fälle gemeldet wurden, wurden diese Fallzahlen von 01–09 2024 allein in der Steiermark bereits erreicht. Bis September 2024 wurden in Österreich 13.441 Pertussisfälle registriert. Wieder bezogen auf die Pertussis- Impfungen lagen nach Daten der WAVM die Durchimpfungsraten in der Steiermark für die Jahrgänge 2008–2013 bei durchschnittlich 56,91 % – was als deutlich zu gering anzusehen ist.

Therapie

Die Therapie von Pertussiserkrankungen verfolgt zwei Zielsetzungen: Einerseits geht es um die Verringerung von Dauer und Heftigkeit der Hus­tenattacken. Dazu muss die Therapie so früh wie möglich, optimalerweise innerhalb der ersten zwei Wochen ab Beginn des Hustens, einsetzen.

Eine später einsetzende Antibiotikatherapie reduziert zumindest die Infektiosität der Betroffenen, da die Patient:innen sehr lange – nämlich ab Ende der Inkubationszeit bis zu drei Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum Bordetellen ausscheiden – und hier eine Antibiotikatherapie zur Reduzierung der Keimlast führt. Behandelt wird mit Makroliden (Azithromycin und Clarithromycin), wobei Resistenzen bislang nur sehr selten beobachtet wurden. Als Alternative steht Cotrimoxazol zur Verfügung. Oral-Penicilline und Cephalosporine sind zur Eradizierung von Bordetella pertussis im Nasenrachenraum nicht geeignet. Explizit wurde von Grisold nochmals darauf hingewiesen, dass Pertussis schon per se eine sehr langwierige und schwere Erkrankung ist – dass insbesondere aber Säuglinge sehr schwer daran erkranken können und in jedem Fall auf die Pertussis-Impfung von Schwangeren zu achten ist.

 

Foto: Schiffer; Charts Conclusio, MUG