AERZTE Steiermark 03/2025
Den Patient:innen Zeit widmen
Den Wunsch Ärztin zu werden, hegte Nina Cameron bereits im Kindergarten. Und sie hielt – im Gegensatz zu vielen anderen – auch daran fest. „Später habe ich dann mit Begeisterung die Fernsehserie Dr. Quinn – Ärztin aus Leidenschaft verfolgt“, lacht sie, „da hat sich mein Ziel klar manifestiert.“
Auch dass es einmal in die Fachrichtung Psychiatrie gehen soll, hat sich bereits rasch herauskristallisiert. „Schon während des Studiums fand ich das Fach sehr interessant“, so Cameron, „und auch das Praktikum hat mich sehr angesprochen. Noch während meines ersten Turnus durfte ich eine junge Frau behandeln, die mit einer ausgeprägten Borderline-Persönlichkeitsstörung zu uns auf die interne Station kam und sich von meinen männlichen Kollegen nicht untersuchen lassen wollte. Das Thema hat mich fasziniert und meine Leidenschaft für die Psychiatrie entfacht. Bei einer meiner ersten Stelle nach dem Turnus, als Vertretungsärztin bei einem Allgemeinmediziner, haben mich schließlich auch die psychiatrischen Fälle am meisten interessiert – und so bin ich an dem Fach hängengeblieben.“
Für Patient:innen Zeit nehmen
Seit mehr als 15 Jahren ist Cameron nun am LKH-Graz II Süd tätig. Eine schöne, aber auch sehr fordernde Aufgabe, vor allem in Zeiten immer größerer Personalknappheit. „Das LKH Graz II ist ja eine Versorgungspsychiatrie, da geht es schon ganz schön rund und man sehnt sich zunehmend danach, einmal eine ganze Stunde Zeit für eine Patientin, einen Patienten zu haben und nicht während eines Gesprächs ständig durch einen Anruf unterbrochen zu werden.“ Dieser Wunsch, in geordneten Bahnen zu arbeiten und sich seinen Patient:innen konzentrierter widmen zu können, war schließlich die Triebfeder, sich neben der Arbeit am Krankenhaus selbstständig zu machen. „Während meines Studiums hatte ich noch gar nicht daran gedacht, aber nach so vielen Jahren an einer Versorgungspsychiatrie wächst der Wunsch, etwas Eigenes zu machen, seine Arbeit so gestalten zu können, wie man sich das vorstellt,“ begründet Nina Cameron ihre Entscheidung.
Unterstützung ist wirksam
In ihrer Ordination, die sie vorerst nur an einem Tag in der Woche geöffnet hat, hat sie nun die Möglichkeit, sich ihren Patient:innen intensiver zu widmen. „Ich weiß, wir haben diese eine Stunde Zeit und werden nicht gestört. Und es ist schön zu sehen, dass Unterstützung wirksam ist, dass Krankheitsphasen auch wieder verschwinden. Am LKH Graz II haben wir es ja in vielen Fällen mit Menschen zu tun, die immer wieder zu uns zurückkommen und einen stationären Aufenthalts brauchen.“
Beide Seiten nicht missen
Trotz all dieser Herausforderungen möchte sie ihren Job am LKH Graz II aber nicht missen. „Ich mag beides sehr gerne – im Krankenhaus bin ich schon 15 Jahre, es gibt ein gutes Miteinander und Kolleg:innen, die man schätzt. Zudem habe ich dort eine Essstörungseinheit mitaufgebaut, die ich nun leite und die ich auch keinesfalls aufgeben möchte.“ Die Ordinationszeiten irgendwann auszuweiten, schließt Cameron aber nicht aus. Denn der Bedarf ist groß, und so rät sie jungen Ärztinnen und Ärzten, die über eine Ordinationseröffnung nachdenken, es einfach zu tun, denn „es gibt sehr, sehr viele Menschen, die Hilfe brauchen – der Bedarf ist enorm.“ Der Aufwand lohnt sich in jedem Fall. Aufwand, wie die mit der Ordinationseröffnung verbundene Bürokratie – von der Steuerberatung, über das geeignete Computerprogramm, Handy etc., wobei Cameron von ihrem Partner sehr stark unterstützt wurde, und auch die Suche nach den perfekten Räumlichkeiten und deren Adaption. Umso glücklicher ist die Ärztin heute, wenn sie stolz ihre Ordination betritt und viel positives Feedback ihrer Patient:innen zur angenehmen Atmosphäre der Ordination erhält.
Foto: privat