AERZTE Steiermark 07-08/2025

 

Chikungunya, Dengue und Co.: Werden die Tropenkrankheiten auch bei uns zum Thema?

Durch den Klimawandel bedingte Veränderungen sorgen für die Ausbreitung von tropischen Fieberkrankheiten. „Das ist natürlich ein guter Aufmacher für die Medien“, weiß Tropenmediziner Maximilian Gornicec. Wie er das Thema beurteilt und was er Ärzt:innen für die Diagnostik rät, verrät der Experte im Interview.

„Tropenkrankheiten sind derzeit in Österreich noch importierte Erkrankungen“, betont Infektiologe Maximilian Gornicec, deshalb seien Schlagzeilen, dass Tropenkrankheiten bei uns auf dem Vormarsch seien, auch immer mit Vorsicht zu genießen, meint er. Weltweit sei das schon der Fall; tropische Fieberkrankheiten breiten sich insbesondere in Mittel- und Südamerika sowie Asien (vor allem Südostasien) aus. Und: Überträger wie die asiatische Tigermücke sind bereits bei uns heimisch. Deshalb bestehe die Möglichkeit der Übertragung von z. B. Dengue oder Chikungunya in gewissen Situationen, wenn ein erkrankter virämischer Reiserückkehrer von einer asiatischen Tigermücke gestochen wird und diese wiederum eine andere Person sticht, sodass diese infiziert werden kann und die Krankheiten sich somit mittel- oder langfristig bei uns etablieren könnten. Es kommt aber darauf an, zwischen den unterschiedlichen Krankheiten zu differenzieren: „Bei Malaria schätzt man das Risiko allerdings gering ein. Dafür ist das Gesundheitssystem bei uns zu gut ausgebaut“, so der Arzt.

An der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz in der Abteilung für Infektiologie betreut der Experte vor allem Reiserückkehrer:innen – vorwiegend sieht man hier Fälle von Malaria und Dengue.

Denguevirus

Früher war Malaria die häufigste importierte Krankheit bei fiebernden Tropenrückkehrer:innen, inzwischen hat das Denguefieber diese Rolle übernommen. Durch die steigenden Durchschnittstemperaturen breiten sich die Vektoren weiter aus, die höheren Temperaturen verlängern die Aktivitätsdauer der Mücken und verkürzen gleichzeitig die Inkubationszeit des Virus im Vektor – die Übertragung geschieht dadurch schneller. Auch Überschwemmungen können für weitere Ausbreitungen sorgen.

Meldepflichtig

Das Denguevirus ist meldepflichtig. Im Jahr 2025 wurden insbesondere in Süd- und Mittelamerika sowie in Asien aber auch in Afrika deutlich steigende Infektionszahlen registriert. Dass die asiatische Tigermücke – der Hauptüberträger – inzwischen in Europa heimisch ist, hat das mediale Interesse weiter verstärkt. In Ländern wie Frankreich, Kroatien, Italien, Spanien und Portugal (Madeira) wurden bereits autochthone Fälle – vereinzelt aber auch clusterartige Ausbrüche – gemeldet, in Österreich noch nicht.

Die Inkubationszeit für Dengue liegt zwischen 3 und 14 Tagen. Ein Großteil der Infektionen ist asymptomatisch. Typische Symptome sind Fieber, Muskel- und Gelenksschmerzen, Hautausschlag, Kopfschmerzen sowie allgemeine Abgeschlagenheit. „Die Laborparameter sind meist unspezifisch wie bei anderen viralen Infekten (u. a. Leukopenie, Thrombopenie, erhöhte Leberfunktionsparameter). In sehr seltenen Fällen kann es zu einem hämorrhagischen Fieber oder sogar einem Dengue-Schocksyndrom kommen – insbesondere bei Zweitinfektionen oder bei vorbestehenden Erkrankungen wie Diabetes oder Niereninsuffizienz kann das Risiko für einen schweren Verlauf erhöht sein“, beschreibt Maximilian Gornicec.

Diagnose und Therapie

Die Diagnose erfolgt in der Regel über Antigen/Antikörper-Schnelltests. Behandelt wird symptomatisch, eine spezifische Therapie gibt es nicht.

Wegen möglicher Thrombopenie sollten keine NSAR eingesetzt werden. Nach einer Infektion besteht wahrscheinlich eine lebenslange Immunität für den jeweiligen Serotypen (einen von insgesamt vier). Kurzzeitig besteht nach der Erstinfektion auch eine Kreuz-immunität gegenüber einem weiteren Serotyp.

Eine Impfung (Lebendimpfstoff) ist verfügbar, jedoch wird derzeit noch keine generelle Impfempfehlung für Reisende seitens des österreichischen Impfgremiums ausgegeben. Für etwaige Impfkandidat:innen sollte die Vorstellung an einer reisemedizinischen Ambulanz erfolgen.

Malaria ausschließen

Fieber, Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, starke Kopfschmerzen und mitunter auch Verwirrtheit – die Symptome bei Malaria sind jenen von Dengue sehr ähnlich. Deshalb muss Malaria tropica, bei der es rasch zu schweren, lebensbedrohlichen Verläufen kommen kann, immer ausgeschlossen werden. Malaria ist eine durch Parasiten (sogenannte Plasmodien) verursachte Infektionskrankheit, wird von der Anophelesmücke übertragen und ist in Österreich ebenfalls meldepflichtig. „Meine Keymessage an alle Ärzt:innen: Bei Reiserückkehrer:innen mit Fieber immer fragen, ob sie sich in einem Malariagebiet aufgehalten haben. Malaria muss immer als erstes ausgeschlossen werden“, betont Gornicec.

Aktuelle Informationen zu Malariagebieten sind entscheidend für die ärztliche Abklärung. Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin stellt regelmäßig aktualisierte Karten zur Verfügung, die eine gute Orientierung bieten. Dabei ist zu beachten, dass sich die epidemiologische Lage schnell ändern kann: So galt etwa Sansibar als malariafrei – inzwischen zählt es wieder zu den Risikogebieten.

Diagnostik

Die Malariadiagnostik erfolgt immer mittels Blutausstrich und gegebenenfalls zusätzlich mittels Antigen-Schnelltests. Wichtig: Der Antigentest allein reicht nicht aus, da es Regionen gibt, in denen dieser falsch-negative Ergebnisse liefern kann, unterstreicht der Tropenmediziner: „Die Behandlung von Malaria muss spezialisiert von Expert:innen erfolgen.“

Risikogruppe

Menschen, die ursprünglich aus endemischen Regionen (z. B. aus Ländern in Subsahara-Afrika) stammen, konnten durch rezidivierende Infektionen eine sogenannte Semiimmunität aufbauen. Wenn diese Menschen nun ihren Lebensmittelpunkt außerhalb einer endemischen Region haben, nimmt die Semiimmunität mit der Zeit ab. „Reisen sie auf Besuch in ihre Herkunftsländer, um Familie und Freunde zu besuchen, wird nicht bedacht, dass die Semiimmunität nicht mehr besteht. Deshalb sind die, Visiting Friends and Relatives (VFR)‘ aktuell die größte Gruppe an Reiserückkehrer:innen, die an Malaria erkranken. Wir führen dazu in Graz eine Datenauswertung durch“, erzählt der Arzt. Ziel wäre es, in der Gruppe der VFR ein Bewusstsein zu schaffen, dass auch für sie das neuerliche Risiko einer Malariainfektion besteht.

Weltweit werden jährlich rund 250 Millionen Malariafälle registriert, mit über 600.000 geschätzten Todesfällen. 2023 wurden in Österreich 97 importierte Malariafälle gemeldet. 2024 waren es 80.

Prophylaxe

Eine Schutzimpfung gegen Malaria ist derzeit nur für Kinder in Endemiegebieten zugelassen, sagt Gornicec und empfiehlt hingegen die medikamentöse Prophylaxe für Reisen in Länder mit hohem Malaria-Risiko: „Diese wird zumeist gut vertragen, auch wenn sich noch immer andere hartnäckige Gerüchte halten. Doch damit kann man schwere Erkrankungen vermeiden. Wir empfehlen sie Reisenden und auch den ,Visiting Friends and Relatives‘, die bei uns wegen einer Erkrankung behandelt werden, für zukünftige Besuche.“

Chikungunya

Auch eine weitere tropische Fiebererkrankung, nämlich das Chikungunya-Virus, ist zunehmend in den Medien präsent, so der Experte. Autoch-thone Fälle wurden bereits in Frankreich dokumentiert. Die Erkrankung wird durch Mücken übertragen und äußert sich vor allem durch Fieber, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. Das Hauptproblem ist aber ein erhöhtes Risiko für Chronifizierung – die Gelenkschmerzen, ähnlich einer rheumatischen Erkrankung, können über Wochen und Monate andauern. Eine Lebendschutzimpfung ist seit kurzer Zeit verfügbar, aufgrund vereinzelter schwerer Nebenwirkungen bei über 65-Jährigen sollte die Impfung bei dieser Gruppe nicht verwendet werden.

West-Nil-Virus

Das West-Nil-Virus wurde ursprünglich in Uganda entdeckt und wird daher mitunter als Tropenerkrankung gesehen. Das Virus ist jedoch auch in gemäßigten Klimazonen zu finden. Einen größeren Bekanntheitsgrad erlangte es durch einen Ausbruch im Jahr 1999 an der Ostküste der USA. Schon seit geraumer Zeit ist der Erreger auch in Europa heimisch geworden. Im Jahr 2024 gab es 37 Fälle in Österreich – in der Steiermark wurde bisher noch kein Fall dokumentiert. 80 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch, in schweren Fällen kann es jedoch zur sogenannten West-Nil-Enzephalitis oder -Meningitis kommen – also zu potenziell lebensbedrohlichen neurologischen Komplikationen.

Stichschutz

Der wichtigste Schutz vor durch Mücken übertragenen Erkrankungen ist das konsequente Vermeiden von Stichen, betont Maximilian Gornicec abschließend. Er empfiehlt Reisenden auf Schutzmaßnahmen wie das Tragen langärmliger Kleidung sowie das Schlafen unter Moskitonetzen zu achten. Ebenso wichtig ist die Anwendung von Repellents.  

 

Fotocredit: Envato, Medmedia