AERZTE Steiermark 07-08/2025
Zwischen Mangobaum und Kreißsaal – neue Perspektiven für Frauen in Ghana
In Mariazell betreibt sie mit einem Kollegen ein Gesundheitszentrum, in ihrer Freizeit engagiert sie sich für die medizinische Versorgung der Menschen in Ghana – Magdalena Grießler lebt in zwei konträren Welten und doch gibt es so manche Parallele.
Im Schnitt ist sie mindestens einmal im Jahr für rund drei Wochen in Afrika – und das seit mittlerweile 15 Jahren. Die praktische Ärztin Magdalena Grießler stieß bereits während ihres Medizinstudiums auf ein Krankenhaus-Projekt in Afrika und war von Anfang an berührt von dieser missionarischen Arbeit. „Gegen Ende meines Medizinstudiums habe ich eine Reportage über ein Krankenhaus in Äthiopien gelesen, die mich sehr fasziniert hat. Errichtet wurde das Krankenhaus von den Missionsärztlichen Schwestern, einem deutschen Orden, gegründet von der Tirolerin Anna Dengel. Ich habe mich mit dem Orden in Verbindung gesetzt und bin noch während meines Studiums für zwei Monate nach Äthiopien gegangen.“
Das Auseinandersetzen mit den eigenen Werten und zu sehen, mit welchen Kleinigkeiten geholfen werden kann, hat Grießler nachhaltig geprägt. „Die Menschen in Ghana sind wahnsinnig dankbar und trotz ihrer Armut so lebensbejahend, das erdet“, sagt sie.
Von Äthiopien nach Ghana
In Äthiopien lernte sie eine Schwester aus Ghana kennen, die ihr vom Projekt erzählte, in Ghana ein Krankenhaus aufzubauen. „2022 war ich zum ersten Mal dort. Da gab es nur ein Grundstück“, lacht sie heute – der Beginn eines jahrzehntelangen Projekts. Denn der Orden der Missionsärztlichen Schwestern betreibt ausschließlich Projekte, die von den Menschen vor Ort unterstützt und letztlich auch betrieben werden. „In Äthiopien wird das Krankenhaus jetzt mit rund 250 Angestellten an lokale kirchliche Strukturen übergeben“, so Grießler. Es dauert zwischen 30 und 50 Jahren bis zur Übergabe. Schließlich braucht es Zeit, bis aus einem nackten Stück Erde ein nachhaltiges Versorgungszentrum wird. Genauso wie es Generationen braucht, bis überholte oder gar unmenschliche Traditionen – Stichwort Beschneidung – aus dem Leben der Einheimischen verschwinden und Neuerungen Fuß fassen. Mit Mikrokreditprogrammen unterstützt man diese Prozesse, denn „sobald man Frauen Bildung gibt und ihnen eine Familienplanung ermöglicht, wollen sie keine zehn Kinder mehr“, so Grießler. Viele Mädchen wollen Lehrerin oder Krankenschwester werden – dringend benötigte Berufe beim Aufbau der Infrastruktur.
Heilen unterm Mangobaum
Doch zu Beginn findet die medizinische Versorgung unterm Mangobaum statt. „Wir sind mit Motorrädern in die Dörfer gefahren, da die Straßen für Autos nicht geeignet sind. Unterm Mangobaum, der mit seinem dichten Blätterdach den besten Schatten spendet, baut man mit einem Sessel und einem Tisch seine ‚Ordination‘ auf“, beschreibt die Ärztin. Oft braucht es fiebersenkende Medikamente oder Malariamittel. „Es sterben hier immer noch sehr viele Kinder unter 5 Jahren, weil sie schlicht keine Medikamente bekommen“, bedauert Grießler.
„Wir impfen also auch schon mal 160 Kinder unterm Baum. Jedes Dorf hat eine Person, die für die Gesundheit zuständig ist und die trommelt die Menschen zusammen.“ Neben Tuberkulose und Kinderlähmung gibt es viele Fälle von HIV, Verletzungen, Schlangenbisse und auch alle anderen Beschwerden von Bluthochdruck über Zucker bis zu Krebs.
Frauengesundheit
Der große Fokus der medizinischen Versorgung der Missionarsärztlichen Schwestern liegt aber auf der Frauengesundheit. Geburtshilfliche Leistungen sind sehr gefragt, weil die Frauen viele Kinder bekommen. „Die Menschen hier in Ghana bauen auch erst viel später eine Bindung zu ihren Kindern auf – es macht einen Unterschied, ob ein Kind bei der Geburt stirbt oder im Alter von 3 oder 4 Jahren. Die Trauer der Angehörigen ist dann fast nicht auszuhalten“, so Grießler.
Fortschritt spendenabhängig
Mit dem Aufbau des Krankenhauses in Ghana ist bessere Hilfe in Sicht. Mittlerweile gibt es einen Notfallbereich, einen Kreißsaal und einen OP für Kaiserschnitte. Es gebe auch ein Röntgengerät, alleine die Stromversorgung scheitert noch an der fehlenden Photovoltaikanlage. Daneben existieren Ambulanzräume und eine Apotheke. Einige Bettentrakte fehlen noch. Das liegt in erster Linie am fehlenden Geld. „Es wäre fein, wenn das Krankenhaus Ende 2027 fertig wäre“, so Grießler, „aber das ist spendenabhängig. Und ein wichtiger Faktor ist noch das Personalhaus für die Ärzt:innen, denn die wollen nicht in den angemieteten Lehmhütten wohnen“, schmunzelt sie. Spenden kann man über „Jugend eine Welt“, in dessen Vorstand Grießler letzten Herbst gewählt wurde.
Mit lokalen Strukturen
Viele Arbeiten vor Ort werden von Einheimischen übernommen, damit das Projekt auch noch existiert, wenn sich die Organisationen zurückziehen. Vom Bau – sogar die Ziegel werden vor Ort gebrannt – bis zum eigentlich Krankenhausbetrieb wird immer mit lokalen Strukturen gearbeitet. In Ghana selbst besteht eine gute Kooperation mit dem Staat. Wenn das Krankenhaus steht, zahlt dieser einiges an Personalkosten.
Ein Krankenhaus bedeutet für die ganze Region wirtschaftlichen Aufschwung. „Zuerst steht oft eine Hütte davor, die Getränke anbietet, dann kocht eine Frau Reis, irgendwann wird eine Tankstelle in der Nähe gebaut, es gibt mehr Schulen – so werden Arbeitsplätze geschaffen.
Prägende Erfahrungen
„So voll ausgeprägte Krankheitsbilder wie in Ghana bekommt man bei uns nicht zu sehen. Diese Erfahrung und zu erleben, was der Mensch aushält, bringt auch für den Arbeitsalltag in Mariazell Sicherheit und Vertrauen. Und man lernt in Afrika zu improvisieren. Das kann nie schaden, wenn es einmal zu Notsituationen kommt.“
Wer nun neugierig geworden ist und auch aktiv werden will, dem hilft Magdalena Grießler gerne, Kontakt herzustellen. Die Erfahrung, einmal an einem Projekt wie diesem mitzuarbeiten, kann sie jedenfalls nur jedem und jeder ans Herz legen: „Einerseits, weil man sehr viel über sich und fürs restliche Arbeitsleben lernt und andererseits, weil es so wunderschön ist, helfen zu können.“
Fotocredit: Jugend eine Welt